Sind Verbrechen unterschiedlich zu bewerten?

Hallo MitbloggerInnen,

ich diskutierte mit FreundInnen oft über Verbrechen und Strafen.

Vor einiger Zeit brachte ein 16-jähriges Mädchen ihr Neugeborenes um.

Wochen zuvor tötete ein Amokschütze 14 MitschülerInnen und LehrerInnen.

Über Serienmörder macht das Deutsche Privatfernsehen einige Serien (oder kaufte diese).

Können Amokschützen mit Kindesmörderinnen verglichen werden?

Ich las einige Kommentare im Standard und war verwundert über einige Meinungen meiner MitposterInnen.

Ist jeder Mord gleich zu bewerten?

Was meint ihr dazu?
Rockhound - 21. Apr, 07:16

Meine Meinung

Nein, nicht jeder Mord ist gleich zu bewerten.

Eins ist klar, Mord ist und bleibt die Tötung eines Lebewesens und muss bestraft werden.

Ich finde:
Die Höchststrafe gilt für geplanten und kaltblütig ausgeführten Mord wegen niederen Motiven (Eifersucht, Gier).

Ebenso bei Mord aus Gelegenheit (Raubüberfall mit Tötung). Immerhin hat der Täter hier bereits vor, jemanden zu überfallen und ihn zu berauben, dies setzt bereits eine gewisse Planung voraus. Wenn das Opfer beim Überfall zu Tode kommt, ist es in meinen Augen fast so schwerwiegend wie geplanter Mord. Das niedere Motiv ist auch gegeben -> Habgier.

Anders ist es bei Mord im Affekt. (Jemand ist so sauer, dass er den anderen zb. schubst, dieser schlägt sich den Kopf an und stirbt - dumm gelaufen). Gewalt ist eine falsche Reaktion in der Wut. Diese Tötung sollte bestraft werden, aber nicht sooo hoch, weil die Tötung überhaupt nicht Absicht war. Es ist eher als Unfall zu werten. Wobei aber der Täter in meinen Augen keinesfalls straffrei ausgehen soll.

Fahrlässige Tötung. Dies ist meiner Meinung nach fast so schlimm, wie geplanter Mord. Weil sich der Täter um nichts schert, weder um sich noch um die Sicherheit der anderen, gehört er bestraft und zwar ziemlich hart. Man denke an Raserunfälle. Diese Tötung hätte verhindert werden können, bei umsichtigem Verhalten.

Schlimm auch, wenn ein paar betrunkene Jugendliche ein zufälliges Opfer totprügeln. Hier gilt in meinen Augen auch eine Höchststrafe, weil es einfach dumm ist und nicht einmal ein Motiv dahintersteckt.

Tötung aus Notwehr. Ein Angreifer muss immer damit rechnen, dass sich das Opfer wehren könnte. Hier hat der Angreifer (=Täter) seine Strafe gleich selbst abgeholt. Die Situation muss unbedingt genau geklärt werden, da dies auch ein ganz gemein geplanter Mord sein könnte. Andererseits soll eine Frau, der eine Vergewaltigung droht sich straffrei wehren dürfen. Wenn der Vergewaltiger dabei zu Tode kommt, ist das sein Pech, damit muss er rechnen.

Beim 16-jährigen Mädchen, das ihr Neugeborenes tötet, geht es um Verzweiflung. Mit 16 ist einem Menschen noch nicht klar, dass es sicher andere und bessere Lösungen gäbe. Meiner Meinung nach sind hier die Täter zb. die Eltern, die ihre 16-jährige in eine so verzweifelte Situation schlittern lassen. Kindsmord ist etwas schlimmes, aber hier tötet ein Kind ein Kind.

Der Amokläufer plant und führt aus. Er tötet mehrere Unschuldige aus Wut. Meist tötet er sich anschliessend selber, wenn man ihm die Zeit lässt. Auch hier sind die wahren Täter in der näheren Umgebung zum Amokläufer zu suchen (Eltern die sich nicht kümmern, Lehrer die sich nicht kümmern, Mitschüler die bösartig sind gegenüber dem späteren Amokläufer). Meist aber liegt eine Persönlichkeitsstörung vor.

Es ist daher wirklich notwendig, dass jeder Mörder eine faire Verhandlung bekommt. Keiner soll ungestraft davonkommen, aber die Umstände müssen beachtet werden. Jeder Fall muss einzeln angeschaut und beurteilt werden.

In den Fernsehkrimis passiert ein Mord meistens, weil sich der Mörder einen Vorteil erhofft. Ein Geheimnis wird geheim bleiben, es gibt eine Erbschaft, eine Karriere steht auf dem Spiel - der Kontrahent wird umgebracht und der Mörder erhofft sich so eine gewisse Sicherheit. Allerdings ist es so, dass die Schwierigkeiten mit dem Mord erst wirklich beginnen.

Und so ist es im wahren Leben - mit dem Mord fangen die Schwierigkeiten erst an, die man eigentlich aus der Welt haben wollte.

Die 16-jährige tötet ihr Kind, damit keiner erfährt, dass sie schwanger war. Das tote Kind wird gefunden, die Fragen werden gestellt, die Wahrheit kommt raus. Es hat also nichts gebracht. Aber die 16-jährige ist noch zu jung um diese Folgen zu erahnen. Sie war ja schliesslich auch noch zu jung um zu erahnen, dass sie von ungeschütztem Sex schwanger werden könnte. Vielleicht wurde sie auch missbraucht, dann kommt diese Geschichte wenigstens auch ans Tageslicht. Wäre sie aber auch gekommen, wenn sie das Kind am Leben gelassen hätte. Über die Konsequenzen seines eigenen Handelns wird man sich erst später im Leben bewusst.

Der Serienmörder ist wiederum ein ganz anderer spezieller Fall. Da ich keine Psychologin bin, möchte ich das auch nicht wirklich kommentieren. Nur dies: Der Serienmörder plant und führt eiskalt aus. Aber er hat keine niederen Motive wie Habgier oder Eifersucht, er hat einfach eine ganz schlimme Störung und gehört auf jeden Fall für immer in die Klappse.

Darum: Nein, Amokschützen können nicht mit Kindesmördern verglichen werden.

Langer Kommentar - mein Lieblingsthema. :-)

oelwaechselkurs - 21. Apr, 08:13

danke, für deinen kommentar

das mädchen, das ihr kind getötet hat. bekommt angeblich keine strafe (lt. einem standard poster). weil sie ihr kind aus not getötet hat. ich finde auch, dass sie nicht mit anderen straftätern vergleichbar ist. sie hatte zu diesem zeitpunkt keine andere wahl. nat. gibt es babyklappen und adoptionsmöglichkeiten, aber sie sah aus psychischen gründen keinen anderen ausweg.
lg öwk
bonanzaMARGOT - 21. Apr, 16:16

zur frage, ob verbrechen (wie in deiner überschrift gestellt) unterschiedlich zu bewerten seien, ein klares JA.
natürlich sind verbrechen, und dazu zählt der mord, unterschiedlich nach den motiven, (zb. der anzahl der getöteten,) der brutalität, der schuldfähigkeit zu überprüfen und auch zu für die strafzumessung zu beurteilen.
es stellt sich bei der frage nach der gerechtigkeit eher die frage, ob die personen der exekutive und judikative auch in der lage sind, ihren aufgaben, den menschen gerechtigkeit und verbrechensaufklärung zukommen zu lassen, immer gerecht werden. die gesetze nehmen den richtern nicht die entscheidungen ab.

bei der bestrafung der verbrecher (mörder) darf es nicht um rache gehen. das racheempfinden der angehörigen von opfern ist verständlich - aber wer darum als direkt betroffener eine strafzumessung verlangt, die seinen rachegelüsten entgegenkäme, liegt total falsch im verständnis des modernen rechtsstaates.

jedes verbrechen und jeder mord werden im sinne der menschlichkeit bestraft; und die menschlichkeit gebietet, auch dem täter noch eine chance für ein leben in freiheit zu geben - vorausgesetzt, dass der täter für sich angibt, nicht mehr straffällig zu werden, und dass gutachter (je nach schwere der straftat) bescheinigen, dass eine günstige prognose besteht.
ich finde, das alles ist schon ein relativ hoher aufwand, der aber einer zivilisierten gesellschaft durchaus angemessen ist.

bei der bestrafung dürfen wir uns nicht von persönlichen gefühlen leiten lassen, sonst geraten wir zurück in die barbarei, ins mittelalter ...
wir sollten uns immer klar sein, auf welchen pfeilern unsere humanistische und zivilisierte moderne gesellschaft steht - und wie sehr sie unter umständen einknickt, wie sehr wir diesen menschlichen fortschritt gefährden, wenn wir z.b. dinge zulassen wie die us-amerikaner in gefangenenlagern wie guantanamo.
mal sehen, ob obama genug mumm in den knochen hat, um sich gegen die erzkonservative (kuklux-)lobby in amerika durchzusetzen ...
oder ob er einknickt ...
mal sehen ...

mord ist übrigens mord (- auch der vollzug der todesstrafe ist mord.)

oelwaechselkurs - 21. Apr, 20:26

hallo,

ich kann die kindestötung nachvollziehen und sehe ihre "schuld" anders, als z.b. einen amoklauf oder ein sexualverbrechen. einige standardposterInnen hatten überhaupt kein verständnis für die kindestötung, weil es ja babyklappen und adoptionsmöglichkeiten gibt. deshalb hat mich eure meinung interessiert. danke!

lg öwk

Rockhound - 22. Apr, 06:37

Nicht jeder Mensch ist gut informiert. Die 16-jährige war es offenbar nicht und ich finde in dem Alter muss man das auch berücksichtigen.
Wie gesagt, sie ist ein Kind und sie ist verzweifelt.
bonanzaMARGOT - 22. Apr, 08:10

eine mutter, die ihr kind tötet, ist in meinen augen per se keine mörderin im herkömmlichen sinne - es ist eher eine art selbstverstümmelung.
oelwaechselkurs - 22. Apr, 11:12

hallo rockhound,

ich sehe das auch so, dass trotz internet und tv viele menschen nicht gut informiert sind. ausserdem kommt auch noch ein stück verdrängung dazu.
lg öwk
oelwaechselkurs - 22. Apr, 11:14

hallo bonanza margot,

ich sehe sie im gewissen mass auch nicht als mörderin, ich glaube, dass ihre angst größer war als ihr gewissen oder mutterliebe, wie man es nennen will. und angst ist sehr mächtig.

lg öwk
Jossele - 22. Apr, 13:20

Liegt aber dann nicht fast jedem Mord Verzweiflung zugrunde?
Der Amokschütze war auch am Ende (s)einer vermeintlichen Sackgasse angelangt. Der Mann, der seine Familie abgeschlachtet hat um sie vor der Schande seiner Schulden zu bewahren oder wegen der Ehre, war das weniger im Afekt?
Da sind die Grenzen nicht so leicht zu ziehen.
Ich stelle mein Leben (oder eine Idee) über das eines anderen und töte, aus welchen Gründen immer, und das ist Mord, so ich es nicht zum Selbstschutz tue. Das nehm ich auch in Kauf wenn ich besoffen in ein Auto steigen würde.
Die junge Mutter hatte Grund und Ursache, wie viele andre auch, und trotzdem ist es Mord als Tat.

Justiz ist etwas eigenes, sie rechnet Schuld in Eingesperrtsein um als Strafe (wir haben ja kein anderes System dafür).
Schuld und Verantwortung sind aber etwas eigenes.

Besagte junge Mutter wird wahrscheinlich an ihrem Tun sehr leiden, egal ob sie nun irgendwo einsitzen muß für irgendeine Zeit. Der Maffiakiller wird das nicht tun, also das eigene Tun reuen, weil er nimmt die Folgen als Risiko, genauso wie der aus falschem Ehrgefühl mordende Moslembruder weil die Schwester sich nicht fügt.
Jedoch, genauso könnt es andersrum sein!
Weil es sind Menschen, nicht die Tat.

Ich wäre vorsichtiger bei solchen Unterscheidungen, weil was wir wissen ist nur was man uns berichtet.
Normen und Gesetze sind so gut wie grade möglich, Gerichte ebenso, und trotzdem haben wir einige verurteilt die es nicht verdienen und haben welche freigesprochen die das nicht tun.
(Ist schon einige Jahre her, da war ein Prostituiertenmörder, der hat dann im Gefängnis Bücher geschrieben, also der konnte gar nicht schuldig sein, und dann war er es doch)

Was will ich sagen, einfach nur, Vorsicht, Schwarz und Weiß sind meistens Stufen von Grau.
bonanzaMARGOT - 22. Apr, 14:01

selbstredend, dass man ohne spezielle hintergrundkenntnisse zu einem verbrechen nicht viel erhellendes sagen kann - als eben seine gefühle und gedanken, die man als zuschauer, zuhörer und zeitungsleser in einer gesellschaft hat.
es ist nunmal so, dass der mensch bei scheußlichen verbrechen wie kindstötung und/oder -mißbrauch besonders laut aufschreit. diejenigen die dann regelmäßig nach der wiedereinführung der todesstrafe rufen - nun ja - was soll ich zu solchen dumpfbacken sagen?
da ist sowieso hopfen und malz verloren, manchen menschen die vorzüge bzw. die zivilisiertheit unseres heutigen rechtsstaates zu erklären.

es geschehen viele morde aus verzweiflung, angst und not der täter. aber es gibt auch den mord, der z.b. im krieg ganz kalkuliert und ohne wirkliche not passiert - komischerweise will aber da niemand von mord reden, ebenso wie man sich um den begriff mord bei der todesstrafe herumwindet.
nein, ich will sagen, dass viele morde durchaus kaltblütig z.b. durch das organisierte verbrechen oder sogar durch die staatsgewalt geschehen. die mörder sind dabei oft nicht nur die, die den abzug der waffe betätigen sondern vorallem jene, die die befehlsgewalt haben. natürlich versuchen fast alle im nachhinein ihre hände in unschuld zu waschen, indem sie sagen, dass sie selbst nur rädchen in einer maschinerie waren (z.b. eichmann), oder indem sie ideologischen schwachsinn reden oder irgendeine notsituation konstruieren, welche den mord für die nachwelt rechtfertigen soll.
die meisten menschen haben einfach nicht genug arsch in der hose, zu ihren fehlern und untaten zu stehen.

amokläufer oder solche mütter sehe ich im vergleich zu den "wirklichen" mördern auf dieser welt eher als tragische und sehr bedauernswerte figuren.
Jossele - 22. Apr, 17:22

Da hast du vermutlich recht.
Obwohl, das mit Befehlsgewalt, was wär das?
Meist wohl nur Rechtfertigungsversuch.
Darf ich andere töten (oder lassen) um Konsequenzen von mir fern zu halten?
Ob ein Eichmann je selbst bereut hat weiß ich nicht, sein "Ich konnte nicht anders, ich mußte ja" ist verabscheuungswürdig als Beleg.
Aurisa - 22. Apr, 22:38

Juristisch ist die Antwort ein klares NEIN!
Ich kenne die österreichische Gesetzeslage nicht, aber in Deutschland ist es beispielsweise so, daß zwischen Mord und Totschlag unterschieden wird.
(Und dann gibt es da noch ein paar andere Tatbestand wie Körperverletzung mit Todesfolge oder Tötung auf Verlangen).
Früher gab es dann auch noch den § 217 zur Kindstötung... der galt allerdings nur wenn eine Mutter ihr UNeheliches Kind nach der Geburt getötet hat und wurde inzwischen aufgehoben...
Wenn zwei Personen scheinbar dasselbe tun, nämlich einen Menschen zu töten, dann ist das noch lange nicht das Gleiche!
Entscheidend für die höhe der Schuld ist die subjektive Motivlage des Täters...
Viele Grüße
Klaudia

bonanzaMARGOT - 23. Apr, 09:11

mit der subjektiven motivlage ist das so eine sache. die läßt sich nicht immer objektiv leicht erfassen. die justiz bietet nur ein schema an, um tendentiell gerecht zu urteilen. natürlich ist diese differenzierung notwendig.
mord ist für mich die vorsätzliche, geplante tötung eines oder mehrerer menschen (ohne dessen/deren einwilligung, versteht sich).
die kindsmutter, die plant ihr kind zu töten, weil sie mit der situation (wie auch immer) nicht klar kommt, übt einen mord aus.
der amokläufer, der sich die waffen für seine tat besorgt und vorher fast minutiös seine gewaltorgie plant, begeht auch einen mord.
aber auch bei solchen mordfällen ist zu differenzieren, in wie weit die täter schuldfähig sind, ob sie krankheitsbedingt handelten, welche umstände sie zu der tat drängten. das ist oft nicht so einfach für ein gericht zu entscheiden ... welches maß angelegt werden soll.

die großen mörder der weltgeschichte sind für mich diktatoren, generäle, mafiabosse, allgemein gewaltherrscher. und es scheint einen menschenschlag zu geben, der sich ohne große probleme als schergen verdingt: menschen, die auf befehl morden und foltern.
ein anderer besonders mieser menschenschlag ist der, der aus reiner habgier verbrechen begeht.
wie ich bereits sagte, sind mir da ein durchgeknallter amokläufer und eine mutter, die aus verzweiflung ihr kind tötet, noch sympathischer ... also von der motivlage her.
oelwaechselkurs - 23. Apr, 09:12

hallo aurisa,

ich glaube, dass öster. und d. dieselbe gesetzeslage haben. auch die kindestötung gibt es nicht mehr. ist in deutschland lebenslang 20 jahre oder länger?

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